Warenvorräte nach § 306 Abs.1 Nr.3 StGB

Mit seiner hier abrufbaren Entscheidung vom 06.12.2018 hat der Bundesgerichtshof den Begriff der Warenvorräte näher bestimmt.

Sachverhalt:
Der Angeklagte betrat einen abgelegenen Teil eines Betriebsgeländes, auf dem sich auöch eine Lagerhalle befang. In unmittelbarer Nähe zur Lagerhalle waren zahlreiche Lkw-Wechselbrücken der Speditionsfirma abgestellt, die mit einer Vielzahl von Mülltonnen beladen waren. Von diesen setzte der Angeklagte mindestens vier neben der Lagerhalle abgestellte Wechselbrücken in Brand, indem er Pappe unter die Planen schob und diese anzündete. Zweck fingen Feuer, welches sich zunächst auf den leicht brennbaren Planen ausbreitete und sodann die Ladung erfasste.

Urteil:
Der Bundesgerichtshof geht von einem weiten Begriff des „Warenvorrats“ aus. Er führte unter anderem aus:
„Unter Warenvorräten im Sinne des § 306 Abs. 1 Nr. 3 Alternative 2
StGB ist eine größere Menge von körperlichen Gegenständen zu verstehen, die
nicht zum Eigenverbrauch, sondern typischerweise zum gewerblichen Umsatz
bestimmt ist kommt es weder auf den Ort der Lagerung an noch ist der Begriff der Warenvorräte einengend dahin auszulegen, dass er nur Warenbestände erfasst, die für einen noch unbestimmten Kundenkreis für ungewisse Zeit vorrätig gehalten werden. Eine solche einengende Auslegung ist weder durch den Wortlaut der Norm noch unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte sowie ihres Schutzzwecks geboten.

aa) Bereits dem Wortsinn des Begriffs Warenvorrat ist ein solches einengendes
Verständnis nicht immanent. Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist
unter einem Warenvorrat – einem „Vorrat von Waren“ – eine „mehr oder weniger
größere Menge“ von Waren zu verstehen, die zur zukünftigen Verwendung
zur Verfügung steht.

bb) Gegen ein einschränkendes Verständnis des Begriffs auf Vorräte, die
für eine beliebige Anzahl noch unbestimmter Kunden für eine noch unbestimmte
Zeit angelegt sind, spricht auch die Entstehungsgeschichte der Norm. (…)

cc) Diesem Verständnis entspricht auch der Schutzzweck der Norm. Der
Katalog der Tatobjekte des § 306 Abs. 1 StGB zeichnet sich – ungeachtet aller
Unterschiede im Einzelnen – insbesondere dadurch aus, dass das Inbrandsetzen
der darin enumerativ aufgezählten Tatobjekte über die Sachbeschädigung
durch Feuer hinaus eine abstrakte Gemeingefahr schafft. Die Gemeingefährlichkeit
haftet aber in erster Linie der erheblichen Warenmenge an und ist
nicht von der Frage abhängig, ob der Warenvorrat für einen noch unbestimmten
oder bestimmten Kundenkreis oder für eine kürzere oder längere Lagerzeit angelegt
ist. Ein solches Verständnis der Norm trägt auch den Bedürfnissen der
Weiterentwicklung der Lagerhaltung im Rahmen des modernen Warenverkehrs
Rechnung, in dem so genannte „Just in Time“-Lieferungen verbreitet sind und
längere Lagerzeiten wegen der damit verbundenen Kosten vermieden werden.

Insgesamt  verwendet der BGH für den Fall 5 1/2 DIN A4 Seiten um die Entstehung des Begriffs historisch zu beleuchten und zu klären, weshalb die vorangegangenen Instanzen den Begriff fehlerhaft ausgelegt haben.

In einer Klausur wird man für gewöhnlich nicht mit dem Problem konfrontiert sein, dass man den Begriff des Warenvorrats auslegen muss. Falls doch dürften die unter aa) und cc) benannten Ausführungen ausreichen, weil der Korrektor andernfalls von einer falschen Schwerpunktsetzung (es gibt in einer Klausur noch zahlreiche andere Problemfelder und man hat ohnehin Zeitprobleme) ausgehen wird.

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