Polizeiaufgabengesetz Bayern

Mit dem PAG-Neuordnungsgesetz Drs.17/20425 (Gesetzentwurf der Staatsregierung) wird das bayrische Polizeirecht tiefgreifend reformiert. Das Gesetz sieht vor allem eine Ausweitung polizeilicher Befugnisnormen vor und regelt Sachverhalte, welche bislang nur unzureichend geregelt waren.

Neue Befugnisse

Zu den neuen Befugnissen gehören vor allem:

  • Präventive DNS-Nutzung unter grundsätzlichem Richtervorbehalt
  • Meldeanordnung (vormals gab es nur Aufenthaltsverbote – und Gebote)
  • Durchsuchung von elektronischen Speichermedien, etwa einer Cloud
  • Offene Videografie, insbesondere Übersichtsaufzeichnungen bei Versammlungen und Ansammlungen
  • Einsatz unbemannter Luftfahrtsysteme (Drohnen)
  • Einsatz intelligenter Videotechnik
  • Einsatz von Körperkameras („body cams“)
  • Präventive Postsicherstellung unter Richtervorbehalt
  • Einsatz von Maschinengewehren und Explosivmitteln gegen Personen

Reaktion auf Bundesverfassungsgerichtsurteil und BKAG

Wie bereits Legal Tribune Online berichtete, musste das BKAG wegen verfassungsrechtlicher Verstöße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz überarbeitet werden. Die bayrische Novelle hängt diesem Prozess hinterher, so dass eine Novelle ohnehin notwendig gewesen ist.

Examensrelevanz

Nach der bayrischen Justizausbildungs- und Prüfungsordnung muss das allgemeine Sicherheits- und Polizeirecht (Landesstraf- und Verordnungsgesetz, Polizeiaufgabengesetz – ohne Abschnitt 3 – und Polizeiorganisationsgesetz beherrscht werden. Der 3. Abschnitt des PAG umfasste bislang die Art.30 bis 49 und somit die Vorschriften zur Datenerhebung. Gerade hier setzt die Reform tiefgreifend an. Das bedeutet, dass Examenskandidaten (sofern das Prüfungsamt nicht ohnehin nach den alten Vorschriften prüft!) nicht viel neu lernen müssen. Eine Maßnahme der molekulargenetischen Untersuchung wird in einer Examensklausur wohl kaum geprüft werden. Auch eine Meldeanordnung eignet sich nicht für eine Klausur oder allenfalls als Zusatzfrage. Lediglich die neuen Vorschriften zum Einsatz von Maschinengewehren und Explosivmitteln könnten in der mündlichen Prüfung abgefragt werden. Dann muss man erkennen, dass diese an dieselben Voraussetzungen wie der Schusswaffeneinsatz geknüpft sind, was unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten problematisch ist. Dies wiederum würde schnell ins Verfassungsrecht und dort zu einer regulären Prüfung aus Zweck / Geeignetheit / Erforderlichkeit und Angemessenheit führen.

Unterm Strich bleibt also nur der neu eingeführte Begriff der drohenden Gefahr für ein bedeutsames Rechtsgut übrig. Eine Diskussion zur Definition des Begriffs und Bedenken in Bezug auf den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz erscheint für eine mündliche Prüfung als sehr wahrscheinlich. Dagegen ist es kaum vorstellbar, dass die Prüfungsämter sich dem Risiko einer Klausur um diesen Begriff aussetzen werden, da es keine Rechtsprechung gibt, anhand derer sich die Prüfer orientieren könnten.

Zusammenfassung

Wie so oft ist der Schrecken erst einmal groß. Ein 100 Seiten dicker Gesetzestext (mit Begründung) macht jedem Angst. Sortiert man aber aus, was wirklich examensrelevant ist, bleibt von der Reform nur noch ein Reförmchen, welches für die Prüfungsämter und Prüfer mit großer Unsicherheit behaftet ist. Wichtig ist es daher sich mit den Grundlagen zu beschäftigen. Kurzum: Mit staatrechtlichen Fragen an die Bestimmtheit des Begriffs der drohenden Gefahr und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Bezug auf die neu eingeführten polizeilichen Maßnahmemöglichkeiten.

Sobald eine verfassungsgerichtliche Entscheidung über den neuen Begriff der drohenden Gefahr vorliegt, wird dieser in eine aktualisierte Version aufgenommen und nochmals durch einen Beitrag berichtet.

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