Mangelbegriff, Haftungsausschluss, Grundstückskaufvertrag

In vielen Bundesländern werden im Ersten Staatsexamen zwei Klausuren aus dem Zivilrecht, zwei Klausuren aus dem Öffentlichen Recht und letztlich eine Klausur aus dem Strafrecht geschrieben. Viele glauben fälschlicherweise, dass wenigstens eine Zivilrechtsklausur das Sachenrecht betreffen würde. Tatsächlich kommt es jedoch recht häufig vor, dass beide Examensklausuren das Schuldrecht betreffen. Besonders beliebt sind Klausuren mit Grundstücksbezug, weil sie das Schuldrecht betreffen und einige Grundlagen zum Sachenrecht abprüfen können.

Mit Urteil vom 19.01.2018 V ZR 256/16 hat der Bundesgerichtshof ein Urteil gefällt, welches eine gute Vorlage für eine Examensklausur bilden könnte und daher als sehr relevant einzustufen ist.

Sachverhalt

A kaufte von B mit notariellem Vertrag ein Grundstück zu 119.000 € unter Haftungsausschluss für Sachmängel. Im Maklerexpose zum Grundstück wurde dieses wie folgt beschrieben:
„Es stammt aus den 50iger Jahren und wurde 2005 – 2007 komplett saniert. D.h., Fenster, Türen, Bad und Gäste-WC, Leitungen und Böden wurden erneuert, das Dachgeschoss wurde ausge-baut, das Dach wurde – wie die Hohlschicht des Hauses – gedämmt. Das Gebäude ist technisch und optisch auf dem neuesten Stand. Zudem ist das Haus unterkellert (trocken).“
Im notariellen Kaufvertrag wurde nicht vereinbart, dass der Keller trocken zu sein habe.
Tatsächlich war der Keller war feucht, allerdings in einer für einen aus der Zeit der 50-er Jahre typischen Zustand.
Vor der Besichtigung hat die B die Kellerwände mit weißer Farbe überstrichen, um den falschen Eindruck zu vermitteln, dass der Keller in jeder Hinsicht trocken sei.

Die A kaufte von B drei Wochen später Einrichtungsgegenstände aus dem auf dem Grundstück befindlichen Wohnhaus zu 1.000 € (ohne zu wissen, dass der Keller feucht war).

A möchte von B ihr Geld wegen der beiden Kaufverträge zurück.

Urteil

Anders als das Landgericht, sah der Bundesgerichtshof zu Recht einen Anspruch aus §§ 280 Abs.1, 3, 281 Abs.1 S.1, 437 Nr.3 BGB als gegeben an.

Zwar wurde keine subjektive Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs.1 Satz 1 BGB begründet („subjektiver Fehlerbegriff), weil diesbezüglich nichts im Kaufvertrag vereinbart war. Auch ergibt sich aus § 434 Abs.1 Satz 2 Nr.2 BGB für sich genommen noch kein Sachmangel, weil der Keller in einem typischen Zustand für sein Alter gewesen ist. Dennoch ergibt sich der Sachmangel aus § 434 Abs.1 Satz 3 BGB, der nach der Rechtsprechung auch für Grundstückskaufverträge gilt, weil von Gesetzes wegen nach diesem Satz zur Beschaffenheit nach § 434 Abs.1 Satz 2 Nr.2 BGB auch die Eigenschaften gehören, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers oder seines Gehilfen erwarten darf. Dazu zählen auch Exposéangaben.

Folglich liegt ein Sachmangel und somit eine Pflichtverletzung vor.

Überdies besteht auch ein Anspruch aus §§ 280 Abs.1, 241 Abs.2, 311 Abs.2 BGB wegen vorvertraglicher Pflichtverletzung, weil die B über die Feuchtigkeit im Keller durch das Anbringen der Wandfarbe getäuscht hat. Rechtsfolge ist, dass der Kaufvertrag im Wege des Schadensersatzes rückabzuwickeln ist (die A hätte auch am Vertrag festhalten können und sich den Vertrauensschaden anrechnen lassen können).

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang übrigens, ob die A explizit bei der Besichtigung nach der Kellerfeuchtigkeit fragte, weil seitens der B davon ausgegangen werden musste, dass dies für den Kaufvertrag wichtig ist und somit eine Offenbarungspflicht (Nebenpflicht aus § 241 Abs.2 BGB) bestand.

Der Haftungsausschluss nach § 444 BGB stand dem Schadensersatz nicht entgegen, weil sich auf Haftungsausschluss nicht berufen kann, wer arglistig handelt.

Auch ist der Vorrang der Nacherfüllung unbeachtlich, weil bei arglistiger Täuschung eine Nacherfüllung unzumutbar ist.

Schließlich konnte die B auch die 1.000 € zurückverlangen. Diese wurden zwar infolge eines gesonderten Vertragsverhältnis gezahlt, allerdings war dieses Vertragsverhältnis so mit dem Grundstücksvertrag logisch verbunden, dass das Geschäft mit dem Grundstücksvertrag stehen oder fallen sollte. Daher wandte der BGH hier § 139 BGB analog an (nicht direkt, weil die direkte Anwendung nur möglich ist, sofern es sich um ein und denselben Vertrag handelt).

Ein Rückgriff auf § 313 Abs.3 wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage bedurfte es aufgrund der oben beschriebenen Ansprüche nach Ansicht des Bundesgerichtshof nicht.

Zusammenfassung

Das Urteil könnte die Ausgangslage für eine Klausur bilden. Angereichert mit Problemen um einen Maklervertrag oder eine falsche notarielle Beurkundung, ggf. auch Fragen einer Vormerkung lässt sich aus dem Sachverhalt eine 5-stündige Klausur basteln.

Wichtig ist, dass die Examenskandidaten die Prüfung des Sachmangels immer Satz für Satz vornehmen. Es gilt immer zuerst zu prüfen, ob eine subjektive Beschaffenheitsvereinbarung vorliegt (§ 434 Abs.1 S.1 BGB), sodann ob eine objektive Beschaffenheit erkennbar ist (§ 434 Abs.1 S.2 Nr.1-2 BGB) und im Anschluss, ob sich aus § 434 S.3 BGB für den Fall des § 434 Abs.1 S.2 Nr.2 BGB etwas anderes als bei alleiniger Anwendung der Nr.2 ergibt.

Zu wenige Examenskandidaten kennen außerdem die Vorschrift des § 139 BGB und erkennen nicht, ob sie diese direkt oder analog anwenden müssen.

Schließlich gilt es zu wissen, dass der Wegfall der Geschäftsgrundlage nur dann zur Anwendung kommt, wenn andere Vorschriften gar nicht greifen. Das dürfte in einer Examensklausur für gewöhnlich nicht der Fall sein.

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