Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch

Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch aus § 906 Abs.2 S.2 BGB analog wird im Ersten Staatsexamen  selten geprüft. Daher beherrschen viele Examenkandidaten den Prüfungsaufbau nur unzureichend, obwohl sie sich schon durch Kenntnis desselben und eine saubere Subsumtion von der breiten Masse abheben könnten.

Eine bilderbuchmäßige Subsumtion hat nun der BGH in einer Entscheidung vorgenommen, in der es vor allem um die Frage ging, wer überhaupt als Störer im Sinne des § 1004 BGB anzusehen ist.

Doch zunächst zum Anspruch:

Ein Anspruch analog § 906 Abs. 2 S. 2 besteht, wenn der Eigentümer oder Besitzer des beeinträchtigten Grundstücks die im Rahmen privatwirtschaftlicher Nutzung sich ergebenden rechtswidrigen Einwirkungen (Störungen) aus tatsächlichen Gründen nicht mit Hilfe der §§ 862, 1004 unterbinden kann, sofern er hiedruch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen ein Brand auf ein fremdes Grundstück übergreift, da der Nachbar die Gefahr in aller Regel nicht erkennen und die Einwirkungen auf sein Grundstück daher nicht rechtzeitig abwehren kann.

Zu prüfen ist daher wie folgt:

– Privatwirtschaftliche Nutzung
– Kausale Beeinträchtigung des anderen Grundstücks
– Anspruchsgegner ist Störer im Sinne des § 1004 BGB
– Geltendmachung der §§ 862 Abs.1, 1004 Abs.1 BGB aus faktischen Gründen nicht möglich.
– Überschreiten des zumutbaren Maßes einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung
– Feststellung der Entschädigungshöhe
– Anwendung des Anspruchs trotz Subsidiarität möglich.

Fall

Der Beklagte ließ durch einen Handwerker Reparaturarbeiten durchführen, bei welchen auch ein Brenner zum Einsatz kam. Der Handwerker verursachte schuldhaft die Entstehung eines Glutnestes. Dieses löste einen Brand aus, der auf das Nachbarhaus übergriff und dieses stark beschädigte.

Entscheidung

In der Entscheidung vom 09.02.2018 Az.: V ZR 311/16 stellte der BGH zunächst fest, dass für die Störereigenschaft nicht lediglich Eigentum oder Besitz ausreichen. Vielmehr müsse die Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder Besitzers zurückgehen. Dies sei bei Beauftragung eines Handwerkers der Fall, weil mit der Beauftragung eine Sicherungspflicht zur Verhinderung möglicher Beeinträchtigungen einhergehe.

Anders als im Schuldrecht sei die Sicherungspflicht im Sinne des sachenrechtlichen Anspruchs allerdings nicht so zu verstehen, dass der Grundstückseigentümer oder -besitzer diese selbst verletzten müsse. Vielmehr genügt es, dass er für den gefahrenträchtigen Zustand seines Grundstücks verantwortlich ist, also diesen zurechenbar herbeigeführt hat.

Mittelbarer Handlungsstörer und damit Anspruchsgegner kann somit auch derjenige sein, der die Beeinträchtigung des Nachbarn durch einen anderen (hier: Beauftragung des Handwerkers) in adäquater Weise durch seine Willensbetätigung verursacht.

Nach erfolgter Subsumtion des Falles verwies der BGH noch darauf, dass der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch im Konkurrenzverhältnis zwar subsidiär ist, aber seine Anwendung nicht durch einen gleichzeitig bestehenden Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung ausgeschlossen wird. Ein Ausschluss des Anspruchs sei nur dann gegeben, wenn eine andere in sich geschlossene Regelung (diese Prüfung ist notwendig, da es sich um eine Analogie handelt und somit eine Regelungslücke nachgewiesen werden muss) besteht.

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