Das OVG Bautzen hat unter dem AZ.: 3 A 199/17 ein Urteil zu einer Fortsetzungsfeststellungsklage gefällt. Das Urteil ist schon deswegen lesenswert, weil es eine nachvollziehbare Auslegung vornimmt und versammlungsrechtliche Fragen mit typischerweise in Verwaltungsrechtsklausuren auftauchenden Gliederungspunkte mustergültig durchprüft.
Sachverhalt
2014 fand eine Demonstration statt, die mit der versammlungsrechtlichen Auflage versehen wurde, dass „Transparente nicht so aufgespannt oder mitgeführt werden dürfen, dass sie als Sichtschutz für Versammlungsteilnehmer dienen können, d. h. dass durch sie die Gesichtsbereiche des Trägers und hinter dem Transparent laufender Personen verdeckt werden.“ Begründet wurde die Auflage seitens der Behörde damit, dass nur so das Vermummungsverbot aus § 17 Abs.2 Nr.1 des Sächsischen Versammlungsgesetzes sichergestellt werden könne. Die Behörde konnte jedoch nicht anhand konkreter Fälle aus der Vergangenheit nachweisen, dass die Transparente der Begehung von Straftaten oder sonstigen Verstößen gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung dienen.
Urteil
Zunächst geht das Urteil auf das Fortsetzungsfeststellungsinteresse, welches bei einer FFK notwendig ist, ein. Da die Auflage als polizeilicher Verwaltungsakt (das Versammlungsrecht ist spezielles und während der Versammlung vorrangiges Polizeirecht) sich spätestens nach der Versammlung erledigt hatte und ein Eingriff in die Grundrechte vorliegt, ist das Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen.
In der Begründetheit musste praktische Konkordanz zwischen dem Recht anderer auf ihre grundgesetzlich geschützten Positionen (aus vermummten oder gegen Einsicht der Polizei geschützten Demonstrationen gehen erfahrungsmäßig Eigentumsbeschädigungen oder Angriffe auf die körperliche Unversehrtheit hervor) und dem Recht der Versammmlungsfreiheit hergestellt werden.
Nachdem das OVG die hinreichende Bestimmtheit des Verwaltungsakts nach § 37 Abs.1 VwVfG bejahte, prüfte es. ob eine „unmittelbare Gefährdung“ im Sinne von § 15 Abs.1 SächsVersG vorlag. Da die Behörde dies natürlich nicht vor Abschluss der Versammlung wirklich wissen kann, bedarf es einer Gefahrenprognose. Dabei muss unter verständiger Würdigung der Umstände die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Gefahreneintritts erkennbar sein, wobei Indizien und Gegenindizien maßgeblich sind. Die Indizien für die Gefahrenannahme müssen allerdings wegen des hohen Stellenwertes des Versammlungsgrundrechts von starkem Gewicht sein. Transparente konnten die Gefahrenprognose im vorliegenden Fall trotz Geeignetheit zur Identitätsverschleierung nicht stützen, weil diese schon keine „Aufmachung“ im Sinne des § 17 Abs.2 Nr.1 SächsVersG sind (dazu müssten sie die Gestaltung des Körpers betreffen). Außerdem konnte der Nachweis nicht erbracht werden, dass die Transparente nur der Identitätsverschleierung dienen sollten. Dies gilt umso mehr, als dass Transparente den Umständen nach gerade nicht dazu bestimmt sind, sondern vielmehr der Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit dienen.
Antworten