Allgemeine Geschäftsbedingungen Inhaltskontrolle

Der Bundesgerichtshof hat am 13.03.2018 ein Urteil betreffend Darlehensverträgen verkündet, in welchem klargestellt wird, dass auch Bearbeitungsprovisionen in Darlehensverträgen der Inhaltskontrolle der AGB-Regelungen unterfallen und mangels Indivdiualabrede aufgrund Verstoßes gegen die gesetzliche Wertung nichtig sind.

Sachverhalt

A ist Verbraucher. Er schließt mit einer Sparkasse B Darlehensverträge ab. Die Vertragsurkunden sind vorformuliert und enthalten unter der Überschrift „Darlehensnennbetrag“ bzw. „Kreditnennbetrag“ jeweils eine laufzeitunabhängige „Bearbeitungsprovision“ in Höhe von 2% des betreffenden Darlehensbetrags, welche bei Auszahlung des Darlehens einbehalten wurden. Außerdem stand unter der Überschrift „besondere Vereinbarung“ oder „sonstige Vereinbarung“, dass Sondertilgungen jederzeit bzw. während der Sollzinsbindungsfrist jederzeit möglich sind.

Urteil

Das schon wegen seines Aufbaus und seiner klaren Obersätze und näheren Ausführungen durchaus lesenswerte Urteil, stellt zunächst fest, dass es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen nach § 305 Abs.1 Satz 1 BGB handelt, weil die Vertragsklauseln keine Individualvereinbarung nach § 305 Abs.1 Satz 3 BGB enthielten und einseitig, also ohne Aushandeln durch die B gestellt wurden. Sie wurden nicht ausgehandelt, weil sie nicht ernsthaft zur Disposition gestellt und sich die B nicht deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung der Klausel bereit erklärt hat (dazu sogleich im nächsten Absatz). Der BGH stellte an dieser Stelle auch nochmals ausdrücklich klar, dass eine Wahlmöglichkeit zwischen mehreren vorformulierten Vertragsbedingungen noch nicht für eine Individualabrede ausreichend ist.

Prüft man Allgemeine Geschäftsbedingungen, muss man immer auch an die Vorschrift des § 310 BGB denken. Hier ist vor allem § 310 Abs.3 Nr.1 BGB von Bedeutung, weil diese Norm eine widerlegliche Vermutung dafür enthält, dass ein Unternehmen einem Verbraucher gegenüber die AGB „gestellt“ hat, sofern sie nicht explizit vom Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden. Da die B nicht darlegen und beweisen konnte, dass die oben genannten Klauseln vom Verbraucher kamen, galt also eine gesetzliche Vermutung dafür, dass diese von der B stammen.

Da AGB vorlagen, stellte sich also die Frage, ob diese gegen die Inhaltskontrolle aus § 307 Abs.2 Nr.1 BGB verstoßen.

(Wichtig! Das Urteil lässt die gedanklichen Prüfungsschritte, die in einer Klausur gegebenenfalls zumindest mit einer kurzen Feststellung auf Papier gebracht werden müssen freilich weg, sondern geht nur auf die für den Fall entscheidenden Normen ein)

Der BGH stellte zunächst fest, dass Preisnebenabreden der Inhaltskontrolle des § 307 Abs.3 Satz 1 BGB unterfallen, weil diese weder ein laufzeitabhängiges Entgelt für die Kapitalnutzung nach § 488 Abs.1 Satz 2 BGB noch ein Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung sind. Da § 307 Abs.3 Satz 1 BGB die Inhaltskontrolle auf solche Bestimmungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden, beschränkt, unterfallen Preisnebenabreden, die keine echte (Gegen-)Leistung zum Gegenstand haben, sondern lediglich allgemeine Betriebskosten auf den Kunden abwälzen, der Inhaltskontrolle. Das Vorliegen einer Preisnebenabrede ist durch Auslegung zu ermitteln, wobei im Zweifel nach § 305c Abs.2 BGB zu Lasten des Klauselverwender, also hier der B davon auszugehen ist, dass es sich um eine Preisnebenabrede handelt. Der BGH hatte indes keine Zweifel an der Einordnung der Klausel als Preisnebenabrede, weil weder der Wortlaut noczh die Gestaltung der Vertragsurkunde aus Sicht eines verständigen und redlichen Vertragspartners Anhaltspunkte für die Ansicht lieferten, dass es sich um ein Entgelt für die Einräumung des Sondertilgungsrechts und damit um eine zusätzlich angebotene Sonderleistung handeln sollte. Dafür sprachen im konkreten Fall sowohl die Gestaltung der Urkunden als Gesamtes (es war in diesen kein Grund für die Erhebung der Bearbieutnsprovision genannt) als auch ihr Wortlaut (siehe oben unter Sachverhalt).

Zugunsten des Verbrauchers gibt es gesetzliche Vermutungen für das Merkmal der Unangemessenheit nach § 307 Abs.2 Nr.1 und 2 BGB. Der BGH wendete § 307 Abs.2 Nr.1 BGB an, wonach eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers anzunehmen ist, wenn gegen den gesetzlichen Gedanken einer Regelung verstoßen wird, weil laufzeitunabhängige Bearbeitungsgebühren nicht mit dem Leitbild des § 488 Abs.1 Satz 2 BGB vereinbar sind. Die Unvereinbarkeit mit dem gesetzlichen Leitbild folgerte der BGH daraus, dass die Erfüllung einer Hauptleistungspflicht (hier: Bearbeitungsaufwand) teilweise auf die A abgewälzt werden sollte und befand „es gehört zu den wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Gesetzesrechts, dass jeder Rechtsunterworfene für Tätigkeiten, zu denen er gesetzlich oder nebenvertraglich verpflichtet ist oder die er überwiegend im eigenen Interesse erbringt, kein gesondertes Engelt verlangen kann“.

Damit – häufiger Klausurfehler – ist die Prüfung freilich nicht zu Ende, denn die Unangemessenheit wird ebenfalls nur vermutet. Durch Bejahung des Verstoßes gegen den gesetzlichen Leitgedanken wird die Unangemessenheit lediglich „indiziert“. Es muss also noch geprüft werden, ob die Vermutung widerlegt werden kann. Mithin ist die Frage zu stellen, ob die Abweichung vom gesetzlichen Leitbild sachlich gerechtfertigt oder der gesetzliche Schutzzweck auf andere Weise sichergestellt ist. Dies verneinte der BGH im vorliegenden Fall, weil ein über ein klassisches Darlehen hinausgehendes Sondertilgungsrecht ebenso wenig ausreiche wie das Argument, dass sich der Bearbeitungsaufwand nicht sinnvoll bepreisen ließe. Betreffend Letzteres wäre zumindest eine Mischkalkulation denkbar.

Fazit

AGB-Prüfungen kommen im Ersten Juristischen Staatsexamen zwar nicht so häufig wie etwa das Schadensersatzrecht vor, dennoch kann man sich hier keine Lücken leisten. Es ist entscheidend den Aufbau verinnerlicht zu haben (dieser ist ausführlich im Buch Erstes Juristisches Staatsexamen dargestellt) und mit den gesetztlichen Vermutungen richtig umzugehen. Das bedeutet insbesondere, dass man bei Bejahung einer Norm immer danach fragen muss, ob im konkreten Fall nicht besondere Gründe dafür sprechen, dass ausnahmsweise die gesetzliche Vermutung als widerlegt gelten muss.

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